Die Anzahl der Studienmöglichkeiten an deutschen Hochschulen war noch nie so groß wie in diesem Jahr. Jährlich kommen rund 500 zusätzliche Angebote hinzu, trotz gesunkener Studierendenzahlen. Dies zeigt eine Analyse des CHE Centrum für Hochschulentwicklung. Jedes vierte seit 2023 neu entstandene Studienangebot ist noch klassisch auf ein einziges Fach zugeschnitten. Im Trend liegen u. a. spezialisierte Studiengänge zu den Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Psychologie.
500 zusätzliche Studiengänge pro Jahr in den vergangenen fünf Jahren
Die Anzahl der Studienangebote an deutschen Hochschulen ist seit dem Jahr 2019 um 13 Prozent gestiegen. Aktuell verzeichnete der Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) den Höchststand von knapp 23.000 Angeboten für Studierende. Fünf Jahre zuvor waren es noch rund 20.000. Während des Untersuchungszeitraums zwischen 2019 und 2024 entfielen rund 2.000 bestehende Studienangebote, etwa 4.600 kamen neu hinzu.
In den vergangenen fünf Jahren sind also im Durchschnitt 500 zusätzliche Studiengänge pro Jahr hinzugekommen. Bemerkenswert ist dieses lineare Wachstum vor dem Hintergrund stagnierender bzw. sinkender Studierendenzahlen.
Doppeleintragung als eine Erklärung für scheinbar widersprüchliche Entwicklung der Zahlen
„Für den scheinbaren Widerspruch aus sinkenden Studierendenzahlen und wachsendem Angebot gibt es plausible Erklärungen“, erläutert Cort-Denis Hachmeister. „Hochschulen bieten verschiedene Modelle ein und desselben Studiengangs an, wenn dieser beispielsweise in Voll- oder Teilzeit studiert werden kann. Gleiches gilt auch für duale- und nichtduale Varianten, so dass es zu Doppeleintragungen im HRK Hochschulkompass kommen kann“, so der Experte für Hochschulzugang beim CHE Centrum für Hochschulentwicklung. Zudem bedeute ein größeres Studienangebot nicht automatisch auch mehr Studienplätze. Einzelne große Studiengänge können hunderte bis tausende Studierende haben, kleine Masterangebote weisen teilweise einstellige Studierendenzahlen auf.
Viele neue Angebote an privaten Hochschulen und im Gesundheitsbereich
Ein großes Wachstum gab es bei den privaten Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) mit einem Plus von mehr als 50 Prozent. Die Zahl der zusätzlichen Angebote an privaten HAW ist im Untersuchungszeitraum größer als an staatlichen HAW. Da es auch einen Studierendenzuwachs bei privaten Hochschulen gibt, entwickeln sich hier Studierendenzahlen und Studienangebote in dieselbe Richtung. Eine minimale Verkleinerung des Studienangebots zeigte sich lediglich bei den kirchlichen Universitäten.
Der Bereich Medizin- und Gesundheitswissenschaften zählt zu den Fächern, deren Portfolio mit einem Plus von 32 Prozent zwischen 2019 und 2024 am stärksten gewachsen ist. Das geringste Plus mit rund drei Prozent verzeichnete das Studienangebot der Sprach- und Kulturwissenschaften.
Aktuell ist rund die Hälfte aller Studienangebote grundständig, führt also zu einem ersten Hochschulabschluss, wie etwa dem Bachelor. Erstsemester haben also nicht eine Auswahl von 23.000 Studienangeboten, sondern etwas weniger als 12.000 Optionen.
Studienangebote zu Digitalisierung, Psychologie und Nachhaltigkeit im Trend
Neben der Langzeit-Betrachtung untersuchte das CHE auch aktuelle Trends bei neuen Studiengängen. Hierfür wurden die Bezeichnungen der rund 1.600 Studienangebote analysiert, die seit 2023 an deutschen Hochschulen neu hinzugekommen sind.
Von den im vergangenen Jahr neu eingeführten Studienfächern trägt noch jedes vierte eine klassische Bezeichnung einer wissenschaftlichen Disziplin wie Betriebswirtschaftslehre oder Physik. Mehr als ein Drittel hat einen englischen Namen.
41 Prozent der neuen Studienangebote bieten eine intradisziplinäre Ausdifferenzierung, was bedeutet, dass sich das Studienangebot auf Teilaspekte einer Disziplin (z. B. Astrophysik) oder deren Anwendung auf ein bestimmtes Berufsfeld (z. B. Tourismusbetriebswirtschaft) spezialisiert. Jedes sechste neue Angebot ist themenfokussiert, wie etwa der Studiengang „Erneuerbare Energien“.
Besonders im Trend liegen aufgrund der Namensanalyse spezialisierte Studiengänge zu Themen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung. Weiterhin gefragt ist auch der Begriff „Management“, der in knapp jedem fünften der neuen Studienangebote zu finden ist.
Hochschulen sollten Angebotsportfolio und Nachfrage im Blick behalten
„Es ist nachvollziehbar, dass Hochschulen inhaltlich diversifizieren, also verschiedene, sich inhaltlich überschneidende Studiengänge oder Studienrichtungen anbieten. Allerdings sollte die Passung von Studierendennachfrage das Angebotsportfolio im Blick behalten werden“, so Studienautor Cort-Denis Hachmeister.
„Zum einen muss eine Transparenz des vielfältigen Angebots für Studieninteressierte gewahrt bleiben, zum anderen könnten Studiengänge mit zu wenigen Studierenden unter Druck geraten. Einige Hochschulen gehen inzwischen auch dazu über, zum Beispiel ein breites ingenieurwissenschaftliches Studium anzubieten, statt weiter Angebote auszudifferenzieren“, so Hachmeister.
Über diese Studie:
Grundlage der Untersuchung waren Auszüge aus dem Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) jeweils im Frühjahr der Jahre 2019 und 2024. Neben einer Auswertung der entsprechenden Daten wurden die Bezeichnungen der 2023 und 2024 neu hinzugekommenen Studiengänge analysiert. Autor der Publikation „Die Vielfalt der Studiengänge 2024“ ist Cort-Denis Hachmeister.
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